Wenn das Ziel Ostsee heisst, die Seekarten für die unterschiedlichen Seegebiete verstaut sind und keine konkreteren Pläne – nur lockere Ideen – im Raum schweben, kann man es langsam angehen lassen.
Eigene Relativitätstheorien
So geht unser erster Schlag gerade einmal 11 sm (ca 20 km) weit von Fehmarn auf das Festland in die Großenbroder Bucht. Nicht ohne Grund, denn in Großenbrode liegt die Werkstadt von Jan Segel und dort wollen wir unseren Gennaker (Leichtwindsegel) abholen. 65 qm groß in leuchtendem Orange mit einem gelben Stern in der Mitte.
Wir sind begeistert als wir ihn hochziehen. 65 qm! Das hört sich riesig an, ist es auch, wenn man ihn vor dem blauen Himmel schweben sieht. Doch dann schrumpft das Segel unmerklich, als uns bewusst wird, dass die Wohnung, die wir einmal beziehen werden, gerade 7 qm mehr hat.
Aber unsere Emaloca, auf der wir im Sommer 3 bis 4 Monate unterwegs sind, ist wiederum wesentlich kleiner und das ist überhaupt kein Problem für uns. Alles ist relativ!
- Bei Jan Segel in der Werkstatt
- Gennaker klein- und reinkriegen
- rein in die Trompete
- zusammengezogene Trompete beim Segeln
Beschaulichkeit ist angesagt
Wir segeln weiter. Die Versuche, im Salzhaff bei Rerik zu ankern scheitern, da unser Anker vor lauter Seegras sich nicht in den Grund eingräbt – und der Wind soll zunehmen. Aber der kleine, sympathische Hafen von Rerik nimmt uns freundlich auf.
Auch bis Warnemünde (32 sm/ca 64 km) genießen wir „Kaffeesahnesegeln“ vom Feinsten, denn der Wind kommt vom Land, so dass sich keine Wellen aufbauen können. 3 Tage wettern wir dort die Sahara-Hitze ab, machen Fahrradtouren durch lichte Wälder an der Küste. Wenn uns zu heiß wird, erfrischt uns die Ostsee mit herrlichen 17 oder 18 Grad. Wir baden auch vom Boot aus im Hafenbecken. Die Robben vom gegenüberliegenden Forschungszentrum der Uni Rostock scheint es nicht groß zu interessieren, ab und an grunzen oder bellen sie mehr oder minder aufgeregt vor sich hin.
- Vor dem Hafen Hohe Düne
- Immer was los
Schaprode, in den Boddengewässern um Rügen, erreichen wir mühseliger. Der Wind verabschiedet sich viel eher als angekündigt, wir müssen viel motoren. Als wir abends um 7 Uhr nach 12 Stunden endlich ankommen, will ich nur noch ins kühle Nass. Doch dann kommt die große Enttäuschung: 25 Grad Wassertemperatur im Bodden.
Farbenrausch mit Wikingermystik
Von Tom und Marie Claire, unseren holländischen Segelfreunden, erfahren wir, dass sie über Bornholm nach Simrishamn wollen. Wir hatten uns nur ein paar Stunden auf Fehmarn gesehen, so beschließen wir kurzerhand, direkt nach Schweden zu segeln. Nach fast 64 sm (ca. 128 km), meistens sogar noch mit gerefftem Großsegel rauschen wir mit Halbwind direkt nach Kaseberga an der schwedischen Südküste.
Was für ein besonderer Ort! Der kleine Hafen liegt vor einer Steilküste, die übersäht ist mit roten Mohnblumen. Nicht weit entfernt, auf einem Plateau liegt die größte Schiffssteinsetzung von Schweden. Wir hatten sie schon letztes Jahr vom Meer aus gesehen und beschlossen, dort einmal hinzusegeln.
800 Jahre vor Christus wurde sie von den Wikingern errichtet – aber die genaue Bedeutung ist bis heute nicht geklärt. War es ein Grab für einen König, ein Monument, ein Seezeichen oder ein Sonnenkalender? Die Schiffsachse ist nach dem Sonnenstand zur Sommersonnenwende ausgerichtet. Heutzutage ist es ein viel besuchter Ort, aber als wir abends und noch einmal am nächsten Morgen dorthin gehen, haben wir diesen magischen Platz für uns allein.
Jetzt liegen wir in Simrishamn, neben Tom und Marie Claire und haben unser Wiedersehen mit einer schwedischen Kuchenorgie gefeiert (und dann am Abend zusammen den deutschen Rumpelfussball gegen Ungarn geguckt).
P.S.
Hilfestellung zum Himmel